Als aktives Unternehmen im Bereich des leichten gewerblichen Transports beobachten wir kontinuierlich die Entwicklungen in der Weltwirtschaft. Bei der Einschätzung von Risiken und Herausforderungen, mit denen die Wirtschaft konfrontiert ist, darf das Thema Fahrermangel im Güterverkehr nicht außer Acht gelassen werden. Neue Studien von Geotab bestätigen unsere Befürchtungen – und die Europäische Union ergreift Maßnahmen, um gegenzusteuern.
In einem früheren Artikel haben wir bereits auf verschiedene Faktoren hingewiesen, die zur aktuellen Beschäftigungskrise bei Berufskraftfahrern beitragen: hohe Verantwortung, sinkende Attraktivität des Berufs sowie steigende gesetzliche Anforderungen. Doch die größte Herausforderung bleibt der demografische Wandel. Laut Berichten aus dem vergangenen Jahr könnte dieser in Polen innerhalb der nächsten fünf Jahre zu einer Beschäftigungslücke von 150.000 bis zu 500.000 offenen Stellen führen.
Heute vergleichen wir diese Prognosen mit Studien, die das Problem auf gesamteuropäischer Ebene beleuchten. Dabei ist zu bedenken: Die polnische Transportbranche ist führend in Europa – und somit auch direkt von den in diesen Berichten genannten Problemen betroffen. Anlass für diese Analyse ist die Veröffentlichung der Geotab-Studie „The unseen toll: driver stress and road safety“ (dt. etwa: „Die unsichtbaren Kosten: Stress bei Fahrern und Verkehrssicherheit“), die unter anderem zur Grundlage der EU-Maßnahmen gegen den Fahrermangel im internationalen Güterverkehr wurde.
Stress als Hauptursache des Fahrermangels – der stille Killer
Laut dem erwähnten Bericht ist Stress eine der zentralen Ursachen für den Fahrermangel. Hohe psychische Belastung und ineffiziente Arbeitsbedingungen führen zu überdurchschnittlicher Fluktuation. Ganze 91 % der befragten Berufskraftfahrer geben an, dass Stress ihre Leistung hinter dem Steuer erheblich beeinträchtigt. 70 % sehen darin einen Faktor, der die Sicherheit am Arbeitsplatz deutlich verringert. Fast die Hälfte (47 %) denkt über einen Berufswechsel nach.
Der Bericht macht deutlich: Stress ist ein allgegenwärtiger und unvermeidbarer Bestandteil dieses Berufs. Zeitdruck, unvorhersehbare Straßenbedingungen sowie steigende Kundenerwartungen an Schnelligkeit und Präzision sorgen für ein konstant hohes Stressniveau.
Zudem empfinden 95 % der Befragten aus EU-Ländern und Großbritannien, dass sich die Verkehrssicherheit in den letzten fünf Jahren verschlechtert hat – ein zusätzlicher Stressfaktor für Fahrer. Die Hauptursachen für das sinkende Sicherheitsgefühl sind: Handynutzung während der Fahrt, unzureichende Fahrfähigkeiten anderer Verkehrsteilnehmer sowie die zunehmende Beteiligung von E-Scootern und E-Bikes am Straßenverkehr.
Die EU reagiert mit legislativen Maßnahmen auf den Fahrermangel
Jedes Jahr bringt neue gesetzliche Änderungen, die der Transportbranche von der Europäischen Union vorgegeben werden. Anfang des Jahres berichteten wir bereits über die wichtigsten neuen Vorschriften, die 2025 in Kraft treten sollen. Gleichzeitig reagieren die EU-Entscheidungsträger laufend auf Marktveränderungen. Einige dieser Maßnahmen werden von Transportunternehmen wegen steigender Betriebskosten kritisiert. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass die EU auch aktiv versucht, dem Fahrermangel entgegenzuwirken.
Als Antwort auf die Forderungen der Branche haben die Entscheidungsträger in Brüssel nun weitreichende Änderungen beschlossen. Ziel ist es, Einstiegshürden für junge Fahrer zu senken und die Fahrerflotte zu verjüngen – ohne Kompromisse bei der Sicherheit. Die wichtigsten Maßnahmen sind:
- Senkung des Mindestalters für Lkw-Fahrer: Personen mit Berufskraftfahrerqualifikation (CPC) dürfen ab 18 Jahren Lkw im In- und Ausland führen.
- Begleitete Fahrprogramme: Mitgliedstaaten können verpflichtende Programme für begleitetes Fahren ab 17 Jahren für Klasse B und optional für Klassen C, C1 und C1E einführen.
- Digitaler Führerschein: Bis 2030 wird ein einheitlicher digitaler Führerschein im Rahmen der Europäischen Digitalen Identität eingeführt.
- Fahren alternativer Antriebe: Inhaber eines Führerscheins der Klasse B dürfen Fahrzeuge mit alternativen Antrieben (bis 4,25 t) führen – sowohl Pkw als auch Lieferwagen.
- Anerkennung ausländischer Führerscheine: Ein EU-weites System zur Anerkennung von Drittstaaten-Führerscheinen wird eingeführt.
Fazit
Die kommenden legislativen Änderungen auf EU-Ebene sind nur ein Teil der notwendigen Maßnahmen im Kampf gegen den Fahrermangel im internationalen Güterverkehr. Ein entscheidender Schritt wäre eine konsequentere Öffnung gegenüber Fahrern aus Drittstaaten. Nur wenn diese rechtlichen Korrekturen mit internen Veränderungen in den Unternehmen einhergehen, lässt sich die Krise wirksam bekämpfen.
Eine langfristige Stabilisierung und Weiterentwicklung des europäischen Transportsektors kann nur durch einen ganzheitlichen Ansatz erreicht werden – von technischer Unterstützung über Ausbildungsinitiativen bis hin zur gezielten Integration jüngerer und internationaler Fahrer. Die Synergie all dieser Faktoren ist der Schlüssel zu einem effizienteren, sicheren und attraktiveren Logistiksektor – zum Vorteil aller Beteiligten in Produktion und Transport.